A gloana Blick

„a gloana Blick“ lautet der Titel eines kleinen Mundart-Büchleins von Peter Meier, Florist, Erfinder, Dichter, Maler und Bühnenkünstler in Baldham. Eines der Gedichte darin ist ebenso überschrieben. Es schildert treffend und berührend, was wir alle täglich erleben, was wir deswegen versäumen und was die wenigsten von uns vermutlich noch registrieren. Oder etwa doch? Mir kommt das Gedicht beinahe täglich in den Sinn.

Das Gedicht beginnt so:
„Wennst in da Fria durch’d Großstodt gehst und schaugst oan o, dann schaugt der weg.“

Ein paar Zeilen weiter:
„Koana schenkt dem Andern an gloana Blick.
Doch für mi is a gloana Blick des gräßte Glück.“

Und zum Schluss:
„Drum, wenn die ona oschaugt, dann schaug einfach zruck.
Vielleicht braucht er grod heit dein gloana Blick.
Ja, wenn die oana oschaugt, schaug einfach zruck,
vielleicht brauchst du morng in da Fria sein gloana Blick.“

Heute ist das Wegschauen kein Phänomen der Großstadt mehr. Es greift auch auf dem Land um sich. Im Speckgürtel rund um München sowieso. Weiter draußen, im Bayerischen Wald z.B. weniger. Da wundere ich mich dann, wenn mich viele fremde Menschen grüßen. Allerdings schaue ich auch wirklich alle an die mir begegnen.

Das Büchlein hat Peter Meier 1992 herausgegeben. Es ist längst vergriffen. Das Gedicht finde ich aktueller denn je. Und auch die anderen darin treffen meist ins Schwarze.

Warum verhalten wir uns so? Ist es Angst, jemanden grüßen zu müssen, zu sollen, den wir nicht kennen, nicht sehen, kennen wollen? Was kann es sonst sein? Mit unserer Evolutions-Hintergrund steht solches Verhalten im Widerspruch. In Urzeiten war es für Menschen überlebenswichtig zu sehen wer ihnen begegnet. Und sie mussten in den Gesichtern lesen um einschätzen zu können, was die Person im Schilde führt. Und bis vor nicht allzu langer Zeit gehörte es schlicht zum guten Ton, dass man blickt, grüßt und gegrüßt wird. Vorbei …  Dabei stelle ich mir vor, dass es richtig anstrengend sein muss, an jemanden, der mir begegnet, mit betont gleichgültiger Miene vorbei-, weg oder gar in den Boden zu schauen. Ich kann’s jedenfalls nicht.

Mir bereitet Blicken und Grüßen Freude. Obwohl ich schon lange am Ort wohne, kenne ich relativ wenig Leute. Viele nur „vom Sehen“. Wenn ich unterwegs bin, egal ob zu Fuß oder mit dem Rad, schaue ich alle Leute an. Manche erwidern den Blick, deuten einen Gruß an oder grüßen gar.  Was gibt es schöneres als einen kleinen Blick, ein nettes Nicken, einen freundlichen Gruß? Wie Peter Meier sagt: Ein freundlicher Blick oder Gruß am Morgen und der Tag fängt gut an.

Und noch etwas: Nicht hinschauen – wegschauen – wo fängt Wegschauen an für das gedeihliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft gefährlich zu werden?